Ein absoluter Insulinmangel bringt den ganzen Stoffwechsel zum Entgleisen. Die Folge ist eine Ketoazidose, die unbehandelt lebensgefährliche Auswirkungen haben kann. Sie tritt meist bei Diabetes Typ 1, seltener bei Typ 2 auf.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Die Ketoazidose ist eine Übersäuerung des Blutes, die durch einen absoluten Insulinmangel hervorgerufen wird.
- Am häufigsten tritt eine Ketoazidose bei Diabetes Typ 1 auf, seltener bei Typ 2, sehr selten ist sie auch ohne Diabetes möglich.
- Ursache sind oft Anwendungsfehler bei der Insulintherapie sowie Probleme mit der Technik der Hilfsmittel.
- Werden Symptome einer Ketoazidose festgestellt, ist umgehend zu reagieren.
- Erste Maßnahmen sind eine Kontrolle des Blutzucker- und Ketonspiegels, die Gabe kurzwirksamen Insulins, reichlich Flüssigkeitszufuhr und gegebenenfalls die Fahrt ins Krankenhaus.
Die Ketoazidose: Eine Definition
Die Ketoazidose kommt bei Diabetes Typ 1 relativ häufig vor. Sie entsteht aus einem absoluten Insulinmangel, der zur vermehrten Bildung von Ketonkörpern führt, die das Blut stark übersäuern. Typ-2-Diabetiker sind seltener betroffen, da ihr Körper in der Regel noch Insulin produziert – zwar in zu geringer Menge für ein reibungsloses Funktionieren des Stoffwechsels, aber meist ausreichend, um einen absoluten Insulinmangel zu verhindern. Insbesondere insulinpflichtige Typ-2-Diabetiker haben dennoch ein erhöhtes Risiko für eine Ketoazidose.
Was geschieht bei einer Ketoazidose? Bei einem gesunden Stoffwechsel sorgt das Insulin dafür, dass mit der Nahrung aufgenommener reiner Zucker (Glukose) aus dem Blut in die Zellen transportiert wird, die ihn für die Energiegewinnung nutzen.
Bei Diabetes Typ 1 produziert der Körper jedoch kein Insulin mehr – die Zellen können folglich den Energiegehalt der Glukose nicht nutzen. Der Körper greift zur Energiegewinnung deshalb auf die eingelagerten Fettreserven zurück. Bei diesem Verwertungsprozess entstehen die sauren Ketonkörper, die sich im Blut anreichern und zur Übersäuerung führen – der sogenannten Ketoazidose.
Wie kommt es zum absoluten Insulinmangel?
Die Ketoazidose ist also die Folge eines absoluten Insulinmangels. Bei Typ-1-Diabetikern entsteht dieser dadurch, dass das Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse angreift und zerstört. Der Körper kann selbst kein Insulin mehr synthetisieren, weshalb es von außen – in der Regel mittels Injektionen – zugeführt wird. Neben einer bisher unerkannten Diabetes-Neuerkrankung sind meist folgende Situationen die Ursache für eine diabetische Ketoazidose:
- Vergessen der regelmäßigen Insulininjektion
- Technische Probleme wie eine defekte Insulinpumpe oder eine verstopfte Kanüle
- Erhöhter Insulinbedarf aufgrund eines viralen oder bakteriellen Infekts
Insbesondere der letzte Punkt ist auch für insulinpflichtige Typ-2-Diabetiker relevant. Diabetiker jedes Typs sind nämlich deutlich infektanfälliger als Menschen mit intakter Insulinproduktion. Infekte, gleich ob virale oder bakterielle, sorgen für einen signifikanten Anstieg des Blutzuckerspiegels. Wird dieser nicht durch eine entsprechend angepasste Insulinversorgung ausgeglichen, kommt es zu einem Insulinmangel, der im Extremfall in einer Ketoazidose mündet.
Übrigens: Eine Ketoazidose ist auch ohne Diabetes möglich. Sie kann in seltenen Fällen durch Alkoholmissbrauch, eine Salicylat- oder Aspirinvergiftung oder eine angeborene Stoffwechselstörung hervorgerufen werden. In sehr seltenen Fällen ist bei stillenden Müttern eine sogenannte Laktationsketose möglich, die in Verbindung mit einer zu geringen Energiezufuhr zur Ketoazidose führen kann.
Symptome einer Ketoazidose bei Diabetes Typ 1 und 2
Wenngleich Typ-2-Diabetiker deutlich seltener von der Stoffwechselentgleisung betroffen sind als Typ-1-Diabetiker, ist die Entwicklung einer Ketoazidose auch bei ihnen nicht ausgeschlossen. Es ist daher für jeden an Diabetes mellitus Erkrankten wichtig, die Anzeichen zu kennen und zu wissen, was im akuten Fall zu tun ist.
Die Vorzeichen einer nahenden Ketoazidose sind erhöhte Blutzuckerwerte; sie können sich in folgenden Symptome äußern:
- Starkes Durstgefühl
- Häufiges Wasserlassen
- Abgeschlagenheit und Müdigkeit
- Appetitlosigkeit
Tritt die Übersäuerung des Blutes ein, zeigen sich folgende Symptome:
- Vertiefte, angestrengte Atmung
- Starke Bauchschmerzen
- Übelkeit und Erbrechen
- Deutlicher Azetongeruch der Atemluft
- Bewusstseinsveränderungen bzw. Bewusstlosigkeit
Bemerken Sie diese Anzeichen an sich selbst oder an einer anderen Person, ist rasches Handeln erforderlich. Unbehandelt kann eine Ketoazidose zum diabetischen Koma führen, das durchaus lebensgefährlich ist.
Sind Sie selbst an einer Diabetes-Form erkrankt, sollten Sie Angehörige, enge Freunde und Kollegen über die oben genannten Symptome aufklären und ihnen Anweisungen geben, was im Notfall zu tun ist, falls Sie selbst nicht mehr handlungsfähig sind. Ebenso verhält es sich mit Kita und Schule, falls Ihr Kind an Diabetes leidet. Schnelles, umsichtiges Handeln kann Leben retten.
Was ist im Notfall zu tun?
Bereits bei den ersten Anzeichen eines zu hohen Blutzuckerspiegels (ab ca. 250 mg/dl) sollte umgehend reagiert werden. Als erste Maßnahme wird das Blut auf Ketone getestet. Diese kann entweder durch einen Urintest mit Azeton-Harnteststreifen erfolgen oder, sofern vorhanden, mit einem Blutzuckermessgerät mit speziellen Keton-Teststreifen. Werden erhöhte Ketonwerte festgestellt, sind sofort entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Liegt der Blutzuckerspiegel über 250 mg/dl bzw. 13,9 mmol/l, sind Ketonkörper im Bereich von 0,6 bis 1,5 mmol/l nachweisbar und ist der Patient noch bei klarem Bewusstsein, sollte er:
- Sofort eine große Menge Wasser (mindestens ein Liter pro Stunde) trinken
- Sofort kurzwirksames Insulin nach einfacher Korrekturregel spritzen
- Sich nicht körperlich belasten
- Nicht einschlafen
- Alle zwei Stunden Blutzucker- und Ketonwerte kontrollieren und bei Bedarf erneut kurzwirksames Insulin spritzen
Ist nach sechs Stunden kein Keton im Urin mehr nachweisbar und liegt der Blutzuckerwert unter 200 mg/dl, besteht keine Gefahr mehr. Andernfalls sollte der Patient sich im Krankenhaus weiter behandeln lassen.
Bei Ketonwerten über 1,5 mmol/l sollten Betroffene:
- Sofort kurzwirksames Insulin nach doppelter Korrekturregel spritzen
- Sich umgehend an einen Arzt wenden bzw. ein Krankenhaus aufsuchen
Auch bei Erbrechen und wenn ein Kind betroffen ist, sollte sofort ein Krankenhaus aufgesucht werden.
Quellen
- Allgemeinarzt-online
- Ärzteblatt
- Pharmazeutische Zeitung
- Brusati V, Józwik M, Józwik M, Teng C, Paolini C, Marconi AM, Battaglia FC (2005): Fetal and Maternal Non-glucose Carbohydrates and Polyols Concentrations in Normal Human Pregnancies at Term. Pediatric Research. Über: https://www.nature.com/articles/pr2005727
- Critchley JA, Carey, IM, Harris T, DeWilde S, Hosking FJ, Cook, DG (2018): Glycemic Control and Risk of Infections Among People With Type 1 or Type 2 Diabetes in a Large Primary Care Cohort Study. Diabetes Care. Über: https://doi.org/10.2337/dc18-0287